Wo ist Bernhard?

Stille Invasion bei Einsiedlerkrebsen?

Einsiedlerkrebse sind faszinierende Tiere. Eigentlich wären sie mit ihrem weichen Hinterteil leichte Beute für andere Arten. Doch indem sich mit Gehäusen verschiedener Schneckenarten schützen, sind sie heute in vielen Meeren und teilweise sogar an Land verbreitet.

Doch an der Nordseeküste bekommt der „Gewöhnliche Einsiedlerkrebs“ (Pagurus bernhardus) nun nach Beobachtungen der Schutzstation Wattenmeer möglicherweise Konkurrenz durch nahe Verwandte. Von Süden rückt der Diogenes-Einsiedler (Pagurus curvimanus) vor. Und wohl aus Amerika wurde gerade der Langarm-Einsiedler (Pagurus longicarpus) eingeschleppt, der sich nun schnell an unserer Küste ausbreitet.
Gewöhnliche Einsiedlerkrebse sind zwar nicht allzu häufige, aber dennoch typische Bewohner von Prielen und tiefliegenden Watten. Schwierigkeiten hatten sie nur, weil eine Zeit lang Wellhornschnecken deutlich seltener wurden. Denn Tributylzinn aus giftigen Schiffsanstrichen behinderte deren Fortpflanzung. Älteren Einsiedlern wurden also die großen Schneckengehäuse knapp.
Jetzt müssen sich jedoch junge Gewöhnliche Einsiedler die Gehäuse von Strand- oder Netzreusenschnecken auch mit den kleineren Diogenes- und Langarm-Einsiedlern teilen.

Der wärmeliebende Diogenes-Einsiedlerkrebs war um 2008 von Frankreich schon bis nach Sylt gekommen. Drei Kälte- und Eiswinter ab 2010 machten ihm dann aber im gesamten Wattenmeer den Garaus. Seit 2017 tritt er wieder vor Ostfriesland auf. 2020 fand man ihn auch vor Schleswig-Holstein. Am 17.6.22 waren Hunderte von ihnen bei St. Peter-Ording im warmen Wasser mit der Paarung beschäftigt. Gewöhnliche Einsiedler fehlten hingegen.
Die beiden Arten sind relativ einfach zu unterscheiden. Der Gewöhnliche Einsiedler hat eine starke rechte Hauptschere, Diogenes ist hingegen Linkshänder.

Der amerikanische Langarm-Einsiedler wurde 2020 von Wissenschaftlern bei Forschungsfahrten vor Büsum entdeckt und dann genauer bestimmt. Inzwischen stellte sich heraus, dass im Strandfunde-Internetportal BeachExplorer einige „Langarme“ bereits seit 2018 gemeldet wurden. Nur waren sie als Rechtshänder fälschlicherweise als Gewöhnliche Einsiedler eingeordnet worden. Inzwischen ist in der Datenbank im BeachExplorer auch der amerikanische Neuling aufgeführt und kann gleich richtig bestimmt und gemeldet werden.

Interessant ist nun die weitere Bestandsentwicklung der verschiedenen Arten. Wird "Bernhard", der Gewöhnliche Einsiedlerkrebs vielleicht von seinen Verwandten verdrängt?  Die Schutzstation Wattenmeer bittet daher darum, jegliche Funde von Einsiedlern im Strandfunde-Internetportal BeachExplorer mit Fotos zu melden. Gern können auch ältere Beobachtungen nachträglich hochgeladen werden. Im Watt findet man die Krebse am besten in Prielen oder bei Ebbe im Flachwasser an der Niedrigwasserlinie. Wer mit der App des BeachExplorer am Strand unterwegs ist, muss diese aktualisieren, da erst die neueste Version auch den Langarm verzeichnet hat.

Einsiedlerkrebse unterscheiden:
Größere Krebse in Wellhornschnecken sind immer Gewöhnliche Einsiedler, denn die beiden anderen Arten nutzen nur Gehäuse bis zur Größe der Strandschnecke. Bei kleinen Einsiedlern ist Diogenes als „Linkshänder“ am einfachsten zu erkennen. Bei den beiden anderen kommt es vor allem auf die Gestalt und Farbe der rechten Hauptschere an. Beim Gewöhnlichen Einsiedler ist die Innenkante des festen Scherenglieds durch einen rotbraunen Streifen gekennzeichnet. Das nächste Segment des Scherenarms wirkt gedrungen. Der Langarm-Einsiedler hat hingegen komplett weiße Scheren und ein längeres Arm-Segment, das bei gutem Licht häufig auch wie Perlmutt schimmert.

 

 

Gewöhnlicher Einsiedlerkrebs im Aquarium
Große Einsiedlerkrebse in Gehäusen der Wellhornschnecke sind bei uns immer "Gewöhnliche Einsiedler"
Kleiner Gewöhnlicher Einsiedler in der Hand
Die Hauptschere des Gewöhnlichen Einsiedlers ist mit dem rotbraunen Innenrand des festen Scherenglieds auch bei kleinen Exemplaren unverkennbar.
Zahlreiche Diogenes-Einsiedler im Flachwasser
Am 17.6.22 waren diese Diogenes-Einsiedler vor St. Peter-Ording offenbar in Paarungsstimmung. Teilweise gab es größere Gruppen von Tieren, die paarweise im Sand hockten. Bei genauerem Hinsehen fällt der relativ farblose linke Hauptarm auf.
Zwei Diogenes-Einsiedler nah
Zwei Diogenes-Einsiedler aus der Nähe
Langarm-Einsiedler streckt Beine aus
Beim Langarm-Einsiedler sind beide Scherenglieder weiß. Auf dem langgestreckten oberen Armsegment ist gerade bei Sonnenlicht oft ein Perlmutt-Schimmer zu sehen.
Langarm-Einsiedler mit Farbschimmer auf Scherenarm
Noch einmal der Perlmutt-Schimmer in anderen Farben.
Infoblatt zu Gewöhnlichem und Langarm-Einsiedler
Infoblatt zu Gewöhnlichem und Langarm-Einsiedler zum Download